Lipödem
Beim Lipödem kann die übermäßige Anhäufung von Fettgewebe zu einem großen Leidensdruck führen
Krankheiten

Lipödem – Ursachen, Symptome und Therapie

Beim Lipödem kommt es zu einer Anhäufung von Fettgewebe im Bereich der Hüften und Oberschenkel. Auch Oberarme und sogar die kompletten Beine können von der Erkrankung betroffen sein.

Was ist ein Lipödem?

Bei einem Lipödem sammelt sich das Fettgewebe der Unterhaut charakteristischerweise an beiden Beinen an. Zudem kommt es zu einer Wassereinlagerung. Die Folge sind stark verschobene Körperproportionen sowie Spannungs- und Druckgefühle in den betroffenen Bereichen. Typisch ist der symmetrische Fettzuwachs an beiden Extremitäten. In 70 Prozent aller Erkrankungsfälle sind ausschließlich die Beine betroffen. 30 Prozent der Patienten leiden zudem unter Lipödemen an den Armen.

Erstmals wurde das Lipödem als Erkrankungsbild im Jahr 1940 von den beiden amerikanischen Ärzten Hines und Allen beschrieben. Umgangssprachlich ist die Fettansammlung auch als Reiterhosen-Syndrom bekannt.

Wie häufig das Lipödem genau auftritt ist nicht bekannt. Schätzungen zufolge sollen allein in Deutschland rund eine Million Menschen von der Erkrankung betroffen sein. Da die Symptome des Lipödems häufig missdeutet oder fälschlicherweise als Lymphödem klassifiziert werden, liegt die Dunkelziffer vermutlich noch deutlich höher. Das Lipödem tritt fast ausschließlich bei Frauen auf.

Normalerweise beginnt die Erkrankung bereits in jüngeren Jahren, bevorzugt nach der Pubertät oder nach einer Schwangerschaft. Neuerkrankungen ab einem Alter von 35 Jahren sind eher selten. Männer erkranken nur sehr selten und in einem deutlich späteren Alter als Frauen.

Lipödem – Ursachen

Die genauen Ursachen der Erkrankung konnten bisher noch nicht abschließend geklärt werden. Da bei einem Fünftel der Patientinnen in der Familie weitere Erkrankungsfälle vorkommen, geht man von einer genetischen Komponente aus. Auch hormonelle Schwankungen scheinen eine Rolle zu spielen. Anders als oft vermutet, ist die Fettansammlung an den Armen oder Beinen nicht die Folge einer hochkalorischen Ernährung.

Aus bisher ungeklärten Gründen vermehrt sich das Fettgewebe im Bereich der Unterhaut. Während sich bei Übergewicht die einzelnen Fettzellen vergrößern, unterliegt beim Lipödem das gesamte Fettgewebe den Veränderungen. So steigt zum einen die Anzahl der Fettzellen. Dadurch verdickt sich das Unterhautfettgewebe. Zum anderen weist das Fettgewebe beim Lipödem eine deutlich festere Struktur auf. Die einzelnen Fettzellen sind in Läppchen organisiert und werden von verschiedenen Strukturen zusammengehalten. Beim Lipödem sind diese Haltestrukturen vermehrt vorhanden. Dadurch können sich in den Fettläppchen im Unterhautfettgewebe Knoten bilden.

Noch dazu entwickelt sich im Krankheitsverlauf eine sogenannte Mikroangiopathie. Hier sind die kleinsten Blutgefäße des Körpers, die sogenannten Kapillaren, betroffen. Ihre Durchlässigkeit nimmt zu, sodass vermehrt Flüssigkeit in das umliegende Gewebe gelangt. Durch diesen Mechanismus entsteht oberhalb der bindegewebigen Faszien eine Flüssigkeitsansammlung (Ödem). Das Gewebe spannt in diesem Bereich sehr stark und ist durch den Flüssigkeitsstau druckempfindlich. Doch die Gefäße sind nicht nur für Wasser, sondern auch für Blutkörperchen durchlässig. Dadurch kann es zu Einblutungen kommen. Ebenso belastet die Erkrankung auch die Lymphgefäße und stört so den Lymphabfluss. Nicht selten tritt das Lipödem deshalb in Kombination mit einem Lymphödem auf.

Lipödem – Symptome

Das Lipödem ist durch eine langsam fortschreitende Zunahme des Unterhautfettgewebes an Armen und/oder Beinen gekennzeichnet. Häufig bemerken die Betroffenen dies zunächst nicht und gehen von einer normalen Gewichtszunahme aus. Auffallend ist jedoch, dass Füße und Hände von der Schwellung nicht betroffen sind. Auch der Rumpf bleibt zunächst unbeeinträchtigt.

Im weiteren Krankheitsverlauf entwickelt sich ein auffälliges Ungleichgewicht der Proportionen von Ober- und Unterkörper. Insbesondere bei normalgewichtigen Patienten ist das Erscheinungsbild sehr auffällig.

Grundsätzlich ist die Fettverteilung bei Patienten mit einem Lipödem sehr individuell. Bei einigen Betroffenen zeigen sich die Fettansammlungen vom Knöchel an aufwärts bis zum Gesäß. Andere leiden ausschließlich unter vermehrtem Fettgewebe im Bereich von Ober- oder Unterschenkeln. Bei einer gleichmäßigen Fettverteilung am gesamten Bein spricht man vom Säulenbein. Fettansammlungen insbesondere im Bereich des oberen äußeren Oberschenkels werden als Reiterhose bezeichnet. Nicht selten entwickeln sich später Fettwülste an den Knien oder oberhalb der Sprunggelenke.

In fortgeschritteneren Erkrankungsstadien leiden die Patienten zunehmend unter Spannungs- und Schweregefühlen in den Beinen. Später werden die Symptome noch deutlicher. Die Betroffenen empfinden Druck auf das geschwollene Gewebe als äußerst schmerzhaft. Auch im Ruhezustand können Schmerzen auftreten. Obwohl sich die betroffenen Extremitäten von außen eher kühl anfühlen, nehmen einige Lipödempatienten ein Hitzegefühl wahr.

Die Haut im Bereich des Lipödems ist weich und zart. Unter der Haut sind die feinen Kapillaren sichtbar. Da aus den durchlässigen Blutgefäßen auch rote Blutkörperchen austreten, entwickeln Patienten mit Lipödem häufig ohne erkennbaren Grund blaue Flecken (Hämatome). Während sich normale Flüssigkeitsansammlungen in der Haut mit den Fingern eindrücken lassen, gibt das Lipödem nicht nach.

Die Symptome können sich nach langem Stehen oder Sitzen sowie bei warmem Wetter verstärken. Abends sind die Beschwerden häufig stärker als morgens.

Aus medizinischer Sicht lässt sich das Lipödem in verschiedene Stadien einteilen, die sich in ihrem Erscheinungsbild deutlich unterscheiden. Das Stadium 1 ist durch eine gleichmäßige Fettverteilung in der Unterhaut gekennzeichnet. Das Hautbild ist zwar glatt, das Bindegewebe weist jedoch bereits Erweichungen auf. Im Stadium 2 bilden sich erste Knötchen, auf der Haut zeigen sich Dellen, die umgangssprachlich als Orangenhaut bezeichnet werden. Im dritten Stadium ist die Hautoberfläche grobknotig und weist größere Dellen auf. Man spricht hier auch vom Matratzenphänomen. In diesem Stadium nehmen auch die Schmerzen deutlich zu. Charakteristisch für das dritte Stadium sind große Hautwülste und Hautlappen, die die Proportionen des Körpers deutlich verschieben und bei den Betroffenen zudem starke Schmerzen verursachen. Durch den Gewebewuchs können die Gliedmaßen oder Hautflächen aneinander scheuern. Dadurch können wunde Hautstellen bis hin zu schweren Entzündungen entstehen. Unter Umständen können das Gehen oder andere Bewegungsabläufe erschwert sein. Bei einem ausgeprägten Lipödem weisen die Betroffenen X-Beine auf.

Viele der Patienten leiden aber nicht nur unter körperlichen, sondern auch unter psychischen Beschwerden. Die Veränderungen im Aussehen, die Schmerzen und die Bewegungsunfähigkeit können einen hohen Leidensdruck bis hin zur Depression zur Folge haben.

Lipödem – Therapie

Da die genauen Ursachen des Lipödems unbekannt sind, gibt es keine kausale Therapie. Die Behandlung zielt lediglich auf eine Linderung der Beschwerden und eine Verringerung des Arm- bzw. Beinumfangs ab.

Im Stadium 1 der Erkrankung ist meist noch keine Behandlung erforderlich, die Therapie erfolgt in der Regel ab dem zweiten Stadium. Ziel der Therapie ist es, das Gewebe so weit es geht zu entstauen. Dazu kommt unter anderem die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) zum Einsatz. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen. Mittels manueller Lymphdrainage soll die angestaute Flüssigkeit im Gewebe zum Abfluss angeregt werden. Zudem soll verhindert werden, dass noch mehr Lymphflüssigkeit in das Gewebe einströmt. Dafür führt der Therapeut verschiedene Streichbewegungen auf der Haut im Verlauf der Lymphbahnen durch. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der KPE ist die Kompressionstherapie. Die Patienten erhalten spezielle Kompressionsverbände oder müssen konsequent Kompressionsstrümpfe tragen. Durch das frühzeitige Tragen der komprimierenden Strümpfe lassen sich Flüssigkeitseinlagerungen und somit auch eine Verschlimmerung des Lipödems häufig verhindern. Zur KPE gehört zudem die Krankengymnastik. Patienten mit Lipödem sollten die komplexe physikalische Entstauungstherapie möglichst ihr Leben lang durchführen. Andernfalls kann sich das Lipödem erneut bilden.

Wenn das Lipödem durch die entstauenden Maßnahmen ausreichend entwässert wurde oder wenn die physikalischen Maßnahmen nicht greifen, kann eine Fettabsaugung (Liposuktion) erfolgen. Bei dieser Operation saugt der Chirurg die überschüssigen Fettzellen unter der Haut mit einer Kanüle ab. Allerdings besteht dabei das Risiko, dass die oberflächlichen Lymphgefäße in dem betroffenen Gebiet zerstört werden. Die Folge ist ein gestörter Lymphfluss, der zu einem Lymphödem führen kann. Deshalb sollte die Liposuktion bei Patienten mit Lipödem ausschließlich von lymphologisch ausgebildeten Fachärzten für Chirurgie durchgeführt werden.

Lipödempatienten wird nicht selten eine Therapie mit Diuretika empfohlen. Bei längerer Einnahme dieser entwässernden Medikamente kann das Gewebe jedoch zusätzlich verhärten. Auch Ernährungsumstellungen und Diäten bringen in der Regel keinen Erfolg. Einige Patienten scheinen jedoch von dem Verzicht auf tierisches Eiweiß zu profitieren. Zwar kann eine Bewegungstherapie helfen die Beweglichkeit zu verbessern oder zu erhalten, die Fettansammlungen gehen jedoch durch sportliche Aktivitäten nicht zurück. Selbst wenn die Patienten Gewicht reduzieren, bleiben die Lipödeme in der Regel erhalten.

Lipödem – Vorbeugung

Eine wirksame Prävention gibt es nicht. Eine frühzeitige Behandlung kann das Fortschreiten der Erkrankung jedoch verzögern, sodass beim Verdacht auf Lipödem schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden sollte. Insbesondere die frühzeitige Therapie mit Kompressionsstrümpfen verbessert die Prognose der Erkrankung deutlich.

Bildnachweis: v.schlichting / shutterstock.com