Glyphosat
Das effektive Herbizid Glyphosat steht zunehmend in der Kritik
Ernährung

Glyphosat – Heimlicher Krankmacher?

Glyphosat macht seit Monaten Schlagzeilen. Doch was ist Glyphosat eigentlich genau? Ein unbedenklicher, effektiver Unkrautvernichter oder ein nicht einzuschätzendes Gesundheitsrisiko für Mensch und Natur?

Nicht nur aufgrund seiner unselektiven Eigenschaft, jede Pflanzenart anzugreifen, die nicht entsprechend genetisch verändert wurde, steht das Herbizid in der Kritik. Auch über die gesundheitlichen Risiken für den Menschen sind sich Forscherteams bislang nicht einig. Und das, obwohl Glyphosat bereits seit Mitte der Siebzigerjahre Bestandteil sehr vieler Unkrautvernichtungsmittel ist. Ende Juni 2016 läuft die Zulassung des Säure-Salz-Gemisches aus. Und je näher die EU-Entscheidung über den weiteren Einsatz oder das Verbot von Glyphosat rückt, desto lauter werden die Proteste dagegen.

Wie wirkt Glyphosat?

Glyphosat blockiert den Stoffwechsel der behandelten Pflanze. Durch den Versatz mit entsprechenden Tensiden, dringt das Breitbandherbizid leicht über die Oberfläche der Pflanze in deren Organismus ein. Dort greift der Wirkstoff sofort ihren Stoffwechsel an und hemmt die Bildung von Eiweiß und aromatischen Aminosäuren. Eiweißstoffe benötigt die Pflanze zum Wachsen und durch die Aminosäuren kann sie Nährstoffe aufnehmen und umwandeln. Sind beide Funktionen aber beeinträchtig, verhungert und verkümmert die gedüngte Pflanze. Erste Effekte nach der Behandlung mit Glyphosat sind in der Regel bereits nach wenigen Tagen sichtbar. Nach wenigen Wochen ist die Pflanze abgestorben und verwelkt.

Glyphosat greift die grundlegenden, lebenswichtigen Systeme und Funktionen an, die bei allen Pflanzen gleich sind. Darum ist das Mittel für absolut jede Pflanze erst einmal schädlich. Diese Form der Herbizide nennt man unselektiv, weil sie nicht nur einzelne, unerwünschte Gewächsarten vernichten. Um die potenziellen Auswirkungen von Glyphosat auch auf kultivierte Pflanzensorten zu umgehen, setzen Landwirtschaftsbetriebe das Breitbandherbizid hierzulande gezielt ein. Einmal kurz nach der Saat, sodass die ausgesäten Pflanzen nicht damit in Kontakt kommen. Und einmal zur Abreifebeschleunigung, also kurz vor der Ernte. Dadurch soll nicht nur Unkrautwuchs vernichtet werden, der andernfalls mit geerntet würde, sondern auch der Ertrag der angebauten Feldfrüchte soll so erhöht und ein gleichmäßigerer Wuchs von zum Beispiel Kartoffeln erzielt werden.

Warum ist Glyphosat so beliebt?

Da ist zum einen natürlich die Effizienz von Glyphosat: Innerhalb weniger Tage stirbt unerwünschter Pflanzenwuchs bereits ab. Die allumfassende Wirksamkeit sorgt außerdem dafür, dass eine einmalige Düngung genügt, um Unkraut zu vernichten. Das spart Zeit, Kosten und sorgt dafür, dass angebautes Getreide und Gemüse schneller und ungehinderter wachsen kann. Folgerichtig führt der Einsatz von Glyphosat damit zu einem größeren Ertrag. Durch den Wegfall häufigen Pflügens, besonders bei großflächigem Anbau, sind die Ackerböden weniger Erosion und Austrocknung ausgesetzt. Ein sicher willkommener Nebeneffekt ist die ebenfalls daraus resultierende, verminderte CO2-Emission.

Besonders bei landwirtschaftlichem Anbau in Hanglagen, wie etwa beim Weinanbau, hat sich der Einsatz des Herbizids als effektiv erwiesen. Doch die beschriebene Effizienz und betriebswirtschaftlichen Vorteile für Landwirtschaftsbetriebe sind nur ein Teil des großen Ganzen. Laut dem Julius-Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, gilt Glyphosat derzeit als das für Mensch und Natur unbedenklichste, synthetische Herbizid. Gerade weil es ein Breitbandmittel ist, können Landwirte und Gärtner auf den Einsatz einer Vielzahl selektiver Herbizide verzichten. Das ist nicht nur eine weitere Kosten- und Zeitersparnis, es belastet auch Böden und Nutzpflanzen weniger.

Glyphosat in der Kritik

Kritiker des verrufenen Herbizids bemängeln vor allem, dass der Wirkstoff in Wasser und Boden nicht gänzlich abgebaut werden kann. Dies hat zur Folge, dass sich der Einsatz von Glyphosat auch auf nachwachsende Pflanzen auswirkt. Bestimmte Anteile des Wirkstoffes können eventuell sogar ins Grundwasser gelangen. Bei Stichproben konnten bereits Glyphosat-Rückstände in Getreide, bzw. den Endprodukten, Zucker, Muttermilch und Urin nachgewiesen werden. Die Europäische Chemikalienagentur, kurz: ECHA, kommt nach Untersuchungen zwar zu dem Schluss, dass Glyphosat nicht krebserregend, mutagen oder schädigend für Entwicklung und Fruchtbarkeit von Mensch und Tier sei – Zweifel aber bleiben. Und das nicht ganz zu unrecht, wie die Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation WHO und des Pestizid-Aktions-Netzwerks PAN Germany belegen. Bei Untersuchungen über die Auswirkungen von Glyphosat auf Mensch, Tier und Natur, haben beide festgestellt und auch kommuniziert, dass der Unkrautvernichter wahrscheinlich doch krebserregend sei. Dieses Ergebnis steht, wenn auch nicht im kompletten Gegensatz, so doch im Widerspruch zu dem, was die ECHA herausgefunden haben will. Es kann also nicht mit eindeutiger Sicherheit gesagt werden, dass Glyphosat unbedenklich ist. Viele Gegner fordern deshalb weitere Untersuchungen, bevor die EU-Kommission über die weitere Zulassung des Unkrautvernichters entscheidet.

Ein weiterer Kritikpunkt erwächst aus den Vorbehalten gegenüber dem größten Herstellerkonzern Monsanto. Dieser produziert nicht nur Glyphosat, sondern auch genverändertes Saatgut, das gegen die Wirkstoffe des Unkrautvernichtungsmittels immun ist. Gegner von Glyphosat und genetisch veränderten Nahrungsmitteln unterstellen dem Konzern, durch den Einsatz des umstrittenen Herbizids vor allem die Verbreitung transgener Nutzpflanzen vorantreiben zu wollen. Mögliche Risiken für Mensch und Umwelt sind auch hier nicht einheitlich und gänzlich erforscht. Das legt für Kritiker den Schluss nahe, dass Monsanto mit dem kombinierten Vertrieb besagten Saatgutes und Glyphosats vor allem eigene Interessen verfolgt.

Der Naturschutzbund NABU führt im Zusammenhang mit Glyphosat außerdem an, dass selbst genetisch veränderte Pflanzen unter der rigiden Wirkung des Mittels litten. So wurde beobachtet, dass transgene Sojapflanzen durch eine Behandlung mit dem Herbizid anfälliger für Schädlinge wurden und sogar verminderte Erträge produzierten. Das Umweltinstitut München e.V. warnt zusätzlich vor einer Zunahme glyphosatresistenter Unkräuter. Deren Zahl soll seit dem ersten Anbau von gentechnisch verändertem Soja mittlerweile auf 21 bekannte Arten angestiegen sein – Tendenz steigend. „Besonders hartnäckige Arten werden bis zu 2,5 m hoch und mindern massiv die Erträge.“, gibt das Umweltinstitut bekannt.

Ist die Angst vor Glyphosat berechtigt?

Aufgrund der unterschiedlichen Untersuchungsergebnisse von BfR und WHO kann die Frage nicht ausreichend beantwortet werden. Eine Zunahme von Krebserkrankungen in Argentinien, Ecuador und Kolumbien, wo Glyphosat großflächig eingesetzt wird, stützen das Ergebnis der Weltgesundheitsorganisation. Fest steht, Glyphosat kann in den menschlichen Organismus gelangen, das haben mehrere Untersuchungen in Europa und den USA gezeigt. Zellstudien in Dänemark ergaben außerdem, dass die Glyphosat-Reste im Blut von Schwangeren auch an das ungeborene Kind abgegeben werden. Forschungen an Ratten belegen, dass der Wirkstoff auch in den Hormonhaushalt eingreift. Ein negativer Einfluss auf den Menschen durch Glyphosat kann also nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Er ist aber auch noch nicht einwandfrei widerlegt.

Gibt es Alternativen?

Alternativen zu Glyphosat gibt es für konventionelle Landwirtschaftsbetriebe derzeit keine. Zumindest nicht, unter Berücksichtigung all der Vorteile, die das Pflanzenvernichtungsmittel bietet. Der Einsatz von Glyphosat macht Ackerbau effizienter und schont die angebauten Pflanzen, die so nur einem chemischen Bekämpfungsmittel ausgesetzt sind. Die Wirksamkeit des Herbizids ist unumstritten, während Risiken und Wirksamkeit potenzieller Nachfolgeprodukte nicht überschaubar sind.

Kleinbauern und Hobbygärtner aber können Ihre Pflanzen durchaus anders vor Wildwuchs und Unkraut schützen. Heißes Kochwasser, Brennnesseljauche oder Asche haben sich besonders bei kleinen Flächen bewährt. Für den Einsatz auf hektargroßen Feldern sind diese Mittel allerdings ungeeignet.

Die einzig effektive Alternative zu Glyphosat ist die in der Bio-Landwirtschaft gängige Praxis. Dort wird auf den Einsatz synthetischer Stoffe zur Düngung und Unkrautbekämpfung ganz verzichtet. Das Mehr an Handarbeit und das Düngen mit natürlichen, unbedenklichen Herbiziden schlägt sich für den Endverbraucher dann jedoch im Preis für die Bioprodukte nieder.

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