Borderline-Störung
Menschen mit Borderline-Störung leiden oft unter starken, unkontrollierten Gefühlsausbrüchen
Krankheiten

Borderline-Störung – Ursachen, Symptome und Therapie

Die Borderline-Störung, auch als emotional instabile Störung des Borderline-Typs bezeichnet, ist eine Persönlichkeitsstörung, die insbesondere durch instabile zwischenmenschliche Beziehungen und impulsive Stimmungen charakterisiert ist. Die psychische Erkrankung wird den Persönlichkeitsstörungen zugeordnet.

Was ist die Borderline-Störung?

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist ein schweres psychiatrisches Krankheitsbild. Da die Betroffenen unter ausgeprägten Stimmungs- und Gefühlsschwankungen leiden, spricht man auch von einer emotional instabilen Persönlichkeit. Die Bezeichnung Borderline-Störung stammt aus der Psychoanalyse. Borderline ist eine Ableitung vom englischen borderland, was so viel bedeutet wie Grenzland. Dieser Begriff wurde gewählt, da die Erkrankung in einem Grenzbereich zwischen neurotischer und psychotischer Störung anzusiedeln ist.

Entsprechend dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association weisen Menschen mit einer Borderline-Störung eine tiefe Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen auf. Auch ihr Selbstbild und ihre Affekte sind äußerst unbeständig und zudem von einer deutlichen Impulsivität geprägt. Der ICD (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme), das Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), unterscheidet bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung zwei Typen. Während der impulsive Typus insbesondere durch eine fehlende Impulskontrolle und eine gewisse Unberechenbarkeit geprägt ist, weisen beim Borderline-Typus zusätzlich das Selbstbild und das Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen starke Beeinträchtigungen auf.

Die Störung zeigt eine hohe Komorbidität. Das bedeutet, dass sie häufig zusammen mit anderen psychischen Erkrankungen wie der Depression oder dem Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) auftritt.

Die Zahlen zur Verbreitung (Prävalenz) der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung schwanken. So leiden Schätzungen zufolge zwischen drei und sechs Prozent der Bevölkerung unter der Borderline-Störung. Zwischen den Geschlechtern besteht kein Unterschied. Allerdings sinkt die Prävalenz mit zunehmendem Lebensalter. Die meisten Patienten erkranken zwischen dem 18. und dem 30. Lebensjahr. Neuerkrankungen ab einem Alter von 65 Jahren sind sehr selten.

Borderline-Störung – Ursachen

Zur Krankheitsentstehung gibt es zahlreiche Theorien und Modelle. Vermutlich handelt es sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung um ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen, das durch mehrere Faktoren beeinflusst wird.

Zum einen scheint die genetische Veranlagung bei der Entwicklung der psychischen Störung eine Rolle zu spielen. Metaanalysen gelangen zu dem Ergebnis, dass die BPS zu einem Anteil von 40 Prozent erblich ist. Bisher sind allerdings keine Gene oder Genorte bekannt, die die Störung bedingen. Möglicherweise basiert die Erkrankung vielmehr auf Genmodifikationen. Diese sind wiederum umweltbedingt und nur zum Teil vererbbar.

Die neurologische Forschung zeigt, dass das Gehirn von Menschen mit einer Borderline-Störung anders arbeitet als das Gehirn von gesunden Menschen. In Gehirnscans weisen die Betroffenen tendenziell eine Unterfunktion im sogenannten präfrontalen Cortex auf. Dieser Teil des Frontallappens der Großhirnrinde spielt eine entscheidende Rolle bei der Integration von Gedächtnisinhalten und bei der emotionalen Bewertung von Ereignissen. Die intakte Funktion des präfrontalen Cortex ist Neurowissenschaftlern zufolge eine wichtige Voraussetzung für eine situationsangemessene Steuerung von Handlungen und für eine gesunde Regulation von Emotionen. Auch im Bereich von Hippocampus und Amygdala, zwei weiteren Gehirnstrukturen, zeigen sich Auffälligkeiten. Während der Hippocampus vor allem für die Funktion des Gedächtnisses zuständig ist, ist die Amygdala an den Gefühlsreaktionen beteiligt. Hier entsteht im sogenannten Angstzentrum die Angst und auch die emotionale Bewertung und Wiedererkennung von Situationen findet hier statt. Forschungen zufolge ist eine gesunde Amygdala eine unabdingbare Voraussetzung für lust- und emotionsbetonte Empfindungen. Beide Strukturen weisen bei Patienten mit einer Borderline-Störung ein reduziertes Volumen auf. Ob diese veränderten Gehirnstrukturen nun Folge oder Ursache der Persönlichkeitsstörung sind, konnte bisher nicht sicher geklärt werden.

Neben genetischen Faktoren und der veränderten Hirnsubstanz haben verschiedene Umweltfaktoren einen Einfluss auf die Entstehung der Störung. So ergab eine Langzeitstudie, dass sich durch feindseliges Verhalten der Eltern oder eine ausgeprägte Streitkultur innerhalb der Familie das Risiko für eine BPS erhöht. In den letzten Jahren rückte der Missbrauch als mögliche Ursache des Borderline-Syndroms immer mehr in den Fokus. Es zeigte sich, dass viele Borderliner in der Kindheit sexuelle oder körperliche Gewalt über sich ergehen lassen mussten. Auch ausgeprägte Vernachlässigungen in der Kindheit und Jugend finden sich in vielen Patienten-Biographien. Dabei stammt der misshandelnde Täter oft aus dem direkten Umfeld. Meistens handelt es sich sogar um eine wichtige Bezugsperson. Dadurch geraten die missbrauchten und misshandelten Kinder in einen emotionalen Konflikt. Die geliebte Person, die sie eigentlich schützen sollte, ist zugleich eine Person, vor der man Schutz suchen muss. Trotz der traumatischen Erlebnisse empfinden sie gegenüber der Bezugsperson keine Wut oder keinen Ekel. Vielmehr richten die Betroffenen die negativen Gefühle gegen sich selbst und rechtfertigen so den Missbrauch.

Aus der Sicht der Psychoanalyse gehört die Borderline-Persönlichkeitsstörung hingegen zu den Frühstörungen. Die Betroffenen zeigen Denk- und Verhaltensmuster, die eigentlich eher in der frühen Kindheit zu verorten sind. Eine Differenzierung des eigenen Selbst ist nicht möglich. Die Patienten leben in einer Welt, in der sie lediglich zwischen „Gut“ und „Böse“ unterscheiden. Psychoanalytiker führen die Frühstörung und die damit verbundene Verzerrung der Ich-Entwicklung auf eine schwere Beeinträchtigung der Mutter-Kind-Beziehung zurück.

Borderline-Störung – Symptome

Die Symptome der Borderline-Störung können sich auf verschiedenen Ebenen zeigen, sind aber immer durch eine gestörte Emotionsregulation sowie durch eine gewisse Beziehungs- und Persönlichkeitsinstabilität gekennzeichnet.

So bemühen sich Borderliner sehr darum, nicht verlassen zu werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie tatsächlich verlassen werden oder es nur vermuten. Entsprechend empfinden Menschen mit einer Borderline-Störung auch kurze zeitliche Trennungen als sehr bedrohlich.

Trotz dieser Verlassensängste wechseln die partnerschaftlichen Beziehungen bei Menschen mit einem Borderline-Syndrom sehr häufig. Insbesondere zu Beginn der Beziehung idealisieren die Betroffenen ihren Partner und die Beziehung sehr stark. Den oft deutlich überhöhten Ansprüchen halten die Beziehungen jedoch selten stand. Auf die Entwertung des Partners folgt schlussendlich die Trennung.

Die Wahrnehmung und die Einschätzung der eigenen Person und des eigenen Verhaltens sind bei der Borderline-Störung stark beeinträchtigt. Das Selbstbild ist äußerst instabil, Wünsche in Bezug auf den Beruf oder Beziehungen sowie die eigenen Wertvorstellungen wechseln ständig.

Selbstschädigendes Verhalten ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium zur Diagnose der Borderline-Störung. Die Betroffenen weisen eine starke Impulsivität in Bereichen auf, die potenziell schädigend sind. Sie neigen beispielsweise zu Glücksspiel, fahren rücksichtslos und riskant Auto oder konsumieren Drogen. Auch direkte Selbstschädigungen durch Selbstverletzungen sind möglich. Die Betroffenen fügen sich Schnitt- oder Brandwunden zu, leiden unter wiederholten Suizidgedanken oder sogar unter suizidalen Handlungen. Das selbstverletzende Verhalten ist häufig ein Versuch, innere Spannungen zu reduzieren. So werden die Verletzungen weniger mit Schmerz als mit einem Gefühl der Erleichterung assoziiert. Die Umwelt begegnet diesem Verhalten oft mit Unverständnis oder Ablehnung. Die Folge ist ein starkes Schamgefühl bei den Betroffenen und unter Umständen ein sozialer Rückzug, der die Einsamkeit und die Verlassensängste der Patienten nur noch verstärkt.

Eine wechselhafte Gefühlslage gehört ebenfalls zu den typischen Symptomen der BPS. Tendenziell ist die Grundstimmung der Patienten eher gedrückt. Dennoch kommt es oft ohne bestimmten Auslöser zu Phasen, die von starker Erregbarkeit, Freudlosigkeit oder Angst gekennzeichnet sind. Diese halten für gewöhnlich wenige Stunden und nur in Ausnahmefällen länger als einige Tage an. Insbesondere auf Vernachlässigung oder Zurückweisung reagieren viele Borderliner mit ausgeprägten Wutausbrüchen, die sie kaum kontrollieren können. Außerhalb dieser Phasen beschreibt ein Großteil der Patienten ein ständiges Gefühl innerer Leere und quälender Langeweile.

Schwere Belastungen können bei Menschen mit einer Borderline-Störung paranoide Vorstellungen oder sogenannte dissoziative Symptome zur Folge haben. Sie leiden vorübergehend unter Verfolgungsideen und einer Selbstentfremdung. Je nach Verlauf können die Betroffenen die Kontrolle über die Realität komplett verlieren.

Der Verlauf der Erkrankung kann sehr unterschiedlich sein. Meist nimmt die Intensität der Symptome mit fortschreitendem Alter ab. So weist ein Großteil der Patienten nach einigen Jahren eine deutliche Besserung der Beschwerden auf. Rückfälle sind eher selten. Bei vielen Patienten stellt sich im Laufe der Jahre sogar eine völlige Erholung ein.

Borderline-Störung – Therapie

Viele Borderline-Patienten können ambulant behandelt werden. Ein stark ausgeprägtes selbstschädigendes Verhalten kann jedoch eine stationäre Therapie erfordern. Zur Behandlung können verschiedene psychotherapeutische Verfahren genutzt werden.

Das mentalisierungsgestützte Behandlungskonzept, auch als Mentalization Based Treatment bekannt, stammt aus der Psychoanalyse. Mithilfe des Konzepts sollen die Patienten ihre Mentalisierungsfähigkeiten verbessern. Die Mentalisierung umfasst zum einen das Wissen um die Beweggründe des eigenen Verhaltens. Zum anderen beinhaltet der Prozess auch die Fähigkeit, das Verhalten sowie die Emotionen anderer Menschen zu interpretieren und angemessen darauf zu reagieren. Die Mentalisierungsfähigkeit ist somit ein wichtiger Faktor für die Regulation der Gefühle und für die Organisation des eigenen Selbstbildes. Die Grundlage für diese so wichtige Fähigkeit soll im Rahmen der mentalisierungsgestützten Psychotherapie durch spezielle Gesprächstechniken in Gruppen- und Einzelbehandlungen geschaffen werden.

Auch die übertragungszentrierte Psychotherapie zeigt in der Behandlung der Borderline-Störung gute Erfolge. Die spezielle Form der psychodynamischen Psychotherapie stammt ebenfalls aus dem Bereich der Psychoanalyse. Im Fokus der therapeutischen Arbeit steht die Übertragungsbeziehung zwischen Patient und Therapeut. Den Lehren der Psychoanalyse zufolge übertragen Menschen verdrängte Gefühle, Affekte, Wünsche oder Erwartungen aus der Kindheit unbewusst auf neue Beziehungen und reaktivieren diese so. In der übertragungszentrierten Psychotherapie macht man sich die Übertragung des Patienten auf den Therapeuten zunutze. Ziel ist die Analyse und Bewusstmachung der übertragenen Emotionen und Wünsche und damit auch eine Aufarbeitung des Vergangenen.

Zur Behandlung der Borderline-Störung eignet sich ferner die Schematherapie, eine Methode der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapieverfahren. Die Schematherapie geht davon aus, dass es bei jedem Menschen bestimmte Grundschemata gibt, die der Befriedigung seelischer Grundbedürfnisse dienen. Diese Schemata steuern das menschliche Verhalten. Durch schädliche Kindheitserlebnisse entstehen sogenannte maladaptive Schemata, die dann das krankheitstypische Verhalten zur Folge haben. Innerhalb der Behandlung sollen die Schemata, die beim Patienten wirksam sind, aufgedeckt werden. Wenn der Patient versteht, wie sich die einzelnen Schemata entwickelt haben, kann er sie verändern. Für diese Veränderungsprozesse nutzt der Therapeut verschiedene erlebnis- und handlungsorientierte Behandlungsstrategien.

Die kognitive Umstrukturierung gehört ebenfalls zu den psychotherapeutischen Interventionen, die bei Borderline-Patienten zum Einsatz kommen. Ziel ist die Veränderung der gedanklichen Lebenskonzepte des Menschen. Fehlerhafte Einstellungs-, Wahrnehmungs- und Denkmuster sollen verändert werden. In der Therapie erlernen die Patienten, ihre Einstellungen kritisch zu hinterfragen. Irrationale und schädliche Einstellungen und Denkmuster werden dann mithilfe des Therapeuten durch hilfreiche und gesundheitsfördernde Muster ersetzt.

Neben diesen psychotherapeutischen Verfahren spielt auch die Psychoedukation in der Behandlung der Borderline-Störung eine wichtige Rolle. Mithilfe dieser Schulungen sollen Patienten und ihre Angehörigen die Erkrankung besser verstehen und lernen, mit ihr im Alltag umzugehen. Die Psychoedukation soll ferner zur Entstigmatisierung der psychischen Störung beitragen.

Medikamente kommen in der Behandlung der Borderline-Störung in der Regel nicht zum Einsatz. Die medikamentöse Therapie kann jedoch zur Therapie von Begleiterkrankungen wie ADHS oder Depressionen in Betracht gezogen werden.

Die Therapie der Borderline-Störung gestaltet sich grundsätzlich häufig sehr schwierig. Ebenso wie in ihren privaten Beziehungen neigen die Patienten auch in der Therapeutenbeziehung zu einem Wechsel zwischen Idealisierung und Herabsetzung ihres Gegenübers. Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wechseln deshalb während ihrer Therapie häufig den Therapeuten.

Borderline-Störung – Vorbeugung

Eine Prävention der Erkrankung ist kaum möglich. Einzig über eine gesunde psychosoziale Entwicklung von Kindern kann der Persönlichkeitsstörung indirekt vorgebeugt werden. Feste Bindungsstrukturen zwischen Eltern und Kind spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie ein sozialer und integrativer Erziehungsansatz.

Kinder, die Missbrauch oder Gewalt erlebt haben, sollten in der Bewältigung ihrer traumatischen Erlebnisse sozial und wenn möglich auch familiär unterstützt werden. Für eine Früherkennung der Erkrankung ist jedoch eine Sensibilisierung für das Krankheitsbild erforderlich. Sobald Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung vorliegen, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

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