Morbus Bechterew, auch Spondylitis ankylosans genannt, gehört zu den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und betrifft überwiegend Männer im Alter zwischen 20 und 40.
Was ist ein Morbus Bechterew?
Die Fachbezeichnung Spondylitis ankylosans verrät, dass es sich beim Morbus Bechterew um eine versteifende Erkrankung der Wirbelsäule und des Beckens handelt. Die Krankheit gehört zur Gruppe der Spondyloarthritiden. Dabei handelt es sich um verschiedene Erkrankungen, die die Gelenke der Wirbelsäule betreffen. Neben den Wirbelsäulengelenken können beim Morbus Bechterew aber auch andere Gelenke oder Skelettstrukturen betroffen sein. In Westeuropa leiden rund 0,5 Prozent der Bevölkerung an der Spondylitis ankylosans. Männer sind dreimal so häufig betroffen wie Frauen. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Die chronische Erkrankung verläuft in Schüben. Dabei kommt es im Krankheitsverlauf zu immer stärkeren Bewegungseinschränkungen.
Morbus Bechterew – Ursachen
Die genauen Ursachen der Erkrankung sind noch nicht bekannt. Fest steht jedoch, dass den rheumatisch-entzündlichen Prozessen ein immunologischer Prozess zugrunde liegt. Experten vermuten, dass der Tumornekrosefaktor α (TNf-α), ein multifunktionaler Signalstoff, eine entscheidende Rolle im Entstehungsprozess spielt. So finden sich in den entzündeten Kreuz-Darmbeingelenken neben T-Helferzellen und zytotoxischen T-Zellen auch erhöhte Konzentrationen von TNF-α. Dafür könnte eine autoimmunologische Reaktion gegen das Proteoglykan Aggrecan verantwortlich sein. Diese Substanz sitzt im Knorpel und sorgt dort für die Elastizität des Gewebes.
Viele Patienten mit Morbus Bechterew weisen zudem erhöhte Antikörper-Titer gegen Enterobakterien im Blut auf. Ob dies jedoch eine Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielt, ist noch unklar.
Hingegen ist eine enge Assoziation mit dem Proteinkomplex HLA-B27 nachgewiesen. Es handelt sich dabei um einen speziellen Untertyp eines membrangebundenen Eiweißes, das auf vielen Körperzellen vorkommt. Das HLA-B27 ist der bekannteste Marker für den Morbus Bechterew, sodass heute davon ausgegangen werden kann, dass die Erkrankung zu großen Teilen genetisch bedingt ist. So hat ein Träger des HLA-B27-Gens ein neunzigfach höheres Risiko an der ankylosierenden Spondylitis zu erkranken als ein Mensch ohne HLA-B27.
Morbus Bechterew – Symptome
Die Art und die Ausprägung der Beschwerden hängen vom Erkrankungsstadium ab. Ebenso bestehen zwischen den einzelnen Krankheitsverläufen der Betroffenen große individuelle Unterschiede. Die ersten Symptome zeigen sich jedoch meistens im späten Jugend- oder im frühen Erwachsenenalter.
Typisch sind dumpfe Schmerzen im Bereich der Lenden oder in der Gesäßregion. Ausgehend vom Gesäß zieht der Schmerz bis in die Oberschenkel. Diese tief sitzenden Rückenschmerzen treten häufig in der Nacht auf und haben eine morgendliche Steifigkeit zur Folge. Die Steifheit bessert sich mit Bewegung, kehrt aber nach Ruhephasen wieder. Der Verdacht auf Morbus Bechterew besteht dann, wenn diese Beschwerden für mindestens drei Monate anhalten.
Häufig verschlimmern sich die Schmerzen jedoch innerhalb weniger Monate und verbleiben anhaltend und beidseitig. Rund ein Drittel der Patienten leiden zusätzlich unter einer Arthritis in Hüftgelenk, Schultergelenk oder Ileosakralgelenk. Die Entzündung der Gelenke ist mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden. Bei einem weiteren Drittel der Patienten tritt die Arthritis in anderen Gelenken auf. Zusätzlich kommt es häufig zu einer Entzündung der Sehnenansätze. Diese Enthesopathien sind sehr schmerzhaft und betreffen bevorzugt die Achillessehne. Ein typisches Syndrom der Bechterewschen Erkrankung ist der Mobilitätsverlust der Wirbelsäule, der durch Verknöcherungen hervorgerufen wird. Während einige Patienten nur über eine leichte Steifheit klagen, sind andere Patienten durch eine komplette Verschmelzung der Wirbel in der Bewegung des Oberkörpers komplett eingeschränkt. Wird der Morbus Bechterew nicht rechtzeitig behandelt, verändert sich die Haltung der Patienten. Es entwickelt sich eine typische Vorwärtskrümmung der Wirbelsäule (Lendenlordose). Die Rückwärtskrümmung der Brustwirbelsäule verstärkt sich. Zusätzlich verkümmert die Gesäßmuskulatur. Da die Knochen im Verlauf der Erkrankung immer poröser werden, besteht schon bei leichten Traumata die Gefahr eines Wirbelbruchs und somit die Gefahr einer Verletzung des Rückenmarks.
Eine häufige Manifestation der Erkrankung außerhalb des Bewegungsapparates ist die Entzündung der mittleren Augenhaut, die sogenannte akute anteriore Uveitis. Sie tritt typischerweise einseitig auf und geht mit einer vermehrten Produktion von Tränen und einer gesteigerten Lichtempfindlichkeit einher. Zusätzlich weist ein Großteil der Patienten Darmentzündungen auf, die aber in den meisten Fällen ohne Beschwerden verlaufen. Bei einem geringen Anteil der Betroffenen können sich aus diesen Entzündungen jedoch auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen entwickeln. Nur in seltenen Fällen werden im Rahmen des Morbus Bechterew andere Organe wie Lunge, Blutgefäße oder das Herz geschädigt.
Ob Morbus Bechterew die Lebenserwartung senkt, ist bisher umstritten. Todesfälle treten infolge von Rückenmarksverletzungen durch Brüche, durch Atemstörungen, eine Insuffizienz der Hauptschlagader oder durch Nebenwirkungen der Behandlung auf. So kann es durch den vermehrten Einsatz der nichtsteroidalen Antirheumatika zu lebensgefährlichen Blutungen im oberen Verdauungstrakt oder zu schweren Schädigungen der Niere kommen.
Morbus Bechterew – Therapie
Oberstes Ziel bei der Therapie des Morbus Bechterew ist der Erhalt der Bewegungsfähigkeit. Gymnastik, Sport und gezielte Physiotherapie sollten deshalb so früh wie möglich durchgeführt werden.
Als Erweiterung zur klassischen Bechterew-Gymnastik eignen sich Yoga und Pilates. Dadurch bleiben die Gelenke beweglich und eine Wirbelsäulenfehlstellung wird vermieden. Es ist allerdings zu beachten, dass Patienten mit Morbus Bechterew die empfohlenen Übungen häufig nur unter starken Schmerzen durchführen können.
Gegen die Schmerzen und Entzündungen erhalten die Betroffenen nichtsteroidale Antirheumatika wie beispielsweise Diclofenac. Bei bestimmten Formen der Erkrankung kommt zusätzlich Sulfasalazin zum Einsatz. Erst seit Mitte 2006 hat der monoklonale Antikörper Adalimumab seine Zulassung erhalten. Er richtet sich gegen den TNF-α und soll dadurch die Entzündungsprozesse im Körper hemmen. Nachteile dieser Behandlungsmethode sind die hohen Therapiekosten und die teils sehr starken Nebenwirkungen, die durch eine Suppression des Immunsystems hervorgerufen werden. Die Einnahme des TNF-α-Blockers erhöht das Risiko für Tuberkulose, Blutbildungsstörungen und die Entwicklung von Lymphomen.
Bei Patienten in sehr fortgeschrittenen Stadien kann eine operative Therapie erforderlich sein. Dabei wird die versteifte Wirbelsäule mehrfach gebrochen und dann mithilfe von Metallplatten aufrecht fixiert. Dadurch verbessert sich zwar die Wirbelsäulenbeweglichkeit nicht, durch die aufrechte Haltung haben die Betroffenen aber subjektiv eine höhere Lebensqualität. Falls die Hüftgelenke durch die Erkrankung beeinträchtigt sind, kann auch eine Hüftgelenksprothese eingesetzt werden.
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