Niereninsuffizienz
Bei der Niereninsuffizienz (Nierenversagen) können die Nieren ihre wichtige Funktion nur noch unzureichend oder überhaupt nicht mehr aufrechterhalten
Krankheiten

Nieren­insuffizienz – Ursachen, Symptome und Therapie

Niereninsuffizienz ist der medizinische Fachbegriff für das akute oder chronische Nierenversagen. Die Niere kann ihre Funktion nur noch unzureichend oder gar nicht mehr aufrechterhalten.

Was ist eine Niereninsuffizienz?

Der Begriff Niereninsuffizienz bezeichnet die Unterfunktion einer oder beider Nieren. Da die Nieren im gesunden Zustand für die Ausscheidung der harnpflichtigen Substanzen zuständig sind, kommt es beim Nierenversagen zu einer Erhöhung von Harnsäure, Harnstoff und Kreatinin im Blut.

Grundsätzlich kann zwischen einem akuten und einem chronischen Nierenversagen unterschieden werden. Die akute Niereninsuffizienz ist durch eine rasche Abnahme der Nierenfunktion gekennzeichnet. Innerhalb weniger Stunden bis Wochen kommt es hier zu einem deutlichen Funktionsverlust. Beim chronischen Nierenversagen handelt es sich um einen langsam fortschreitenden Krankheitsprozess, der über Monate oder sogar Jahre andauern kann. Eine chronische Niereninsuffizienz ist durch Funktionsabweichungen der Niere definiert, die länger als drei Monate bestehen und Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Patienten haben.

Die Niereninsuffizienz kann anhand der glomerulären Filtrationsrate in verschiedene Schweregrade unterteilt werden. Die glomeruläre Filtrationsrate gibt an, wie viel Milliliter Blut die Glomeruli, also die Gefäßknäuel in der Niere, pro Minute filtern können. Je weniger Blut gefiltert wird, desto weiter ist die Niereninsuffizienz vorangeschritten. Weitere Einteilungen können anhand der Ursache, der Schädigung und der Albuminausscheidung getroffen werden. Albumine sind Bluteiweiße, die bei normaler Nierenfunktion nicht in den Urin gelangen. Je mehr Schädigungen die Niere aufweist, desto höher ist der Albumingehalt des Harns.

Das Endstadium der Niereninsuffizienz ist die terminale Niereninsuffizienz. Hier versagen die Nieren dauerhaft, sodass es zu einem starken Anstieg der harnpflichtigen Substanzen im Blut kommt.

Weltweit leiden mehr als 500 Millionen Menschen an einer chronischen Niereninsuffizienz. Somit ist jeder zehnte Erwachsene betroffen. Fast 1,5 Millionen Menschen müssen regelmäßig zur Dialyse oder leben mit einem Spenderorgan. Schätzungen zufolge wird sich die Anzahl der Dialysepatienten in den nächsten Jahren verdoppeln. Der Grund dafür ist, dass in den Industrienationen Nierenschäden durch Diabetes mellitus Typ 2 und Bluthochdruck immer häufiger auftreten.

Niereninsuffizienz – Ursachen

Die akute und die chronische Niereninsuffizienz haben unterschiedliche Ursachen.

Die Ursachen der akuten Niereninsuffizienz werden in prärenal, renal und postrenal unterteilt. Beim prärenalen Nierenversagen findet sich die Ursache vor der Niere. 60 Prozent aller Fälle von akutem Nierenversagen haben eine prärenale Ursache. Die Struktur und die Funktionsfähigkeit der Nierenkörperchen sind zunächst noch intakt. Ursache für den Funktionsverlust ist eine verminderte Durchblutung der Niere. Diese kann zum einen auf einer Abnahme des zirkulierenden Blutvolumens, beispielsweise durch Blutverluste oder Verlust von Flüssigkeit bei Durchfällen und starken Verbrennungen, und zum anderen auf einem Abfall des Herzminutenvolumens bei der Herzinsuffizienz oder beim Kreislaufschock verschiedener Genese basieren. Auch eine Verengung der Gefäße innerhalb der Niere beim sogenannten hepatorenalen Syndrom kann zu einer mangelnden Durchblutung der Niere und damit zum akuten Nierenversagen führen. Das hepatorenale Syndrom tritt bei schweren Lebererkrankungen wie der Leberzirrhose auf. Eine systemische Gefäßweitstellung, wie sie beispielsweise bei der Sepsis (Blutvergiftung) auftritt, kann ebenfalls ein akutes Nierenversagen zur Folge haben.

35 Prozent aller Fälle mit akutem Nierenversagen beruhen auf einer intrarenalen Ursache. Das intrarenale Nierenversagen zeichnet sich durch eine Schädigung der Nierenkörperchen aus. Es kommt zu sogenannten Tubulusnekrosen. Das bedeutet, dass das Kanalsystem in der Niere schwer beschädigt ist. Innerhalb dieses Kanalsystems finden sich Zelltrümmer, die die Filtration behindern. Die Ursachen des intrarenalen Nierenversagens können toxisch, allergisch, entzündlich oder infektiös sein. So können verschiedene Medikamente wie beispielsweise nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Zytostatika, verschiedene Antibiotika und Kontrastmittel die Nieren akut schädigen. Auch Pflanzengifte, Tiergifte und Chemikalien können toxisch wirken. Eine der häufigsten Ursachen des akuten renalen Nierenversagens ist die Glomerulonephritis. Es handelt sich hierbei um eine abakterielle Entzündung beider Nieren, die vermutlich aufgrund der Ablagerung von Immunkomplexen in den Nierenkörperchen entsteht. Ferner können die Nierenkörperchen durch Infektionen z.B. mit dem Hantavirus Schaden nehmen.

Die postrenal ausgelöste akute Niereninsuffizienz entsteht durch eine sogenannte Harnsperre. Hierbei kann der Urin durch eine Obstruktion der ableitenden Harnwege nicht richtig abfließen. Die Abflusshindernisse können erworben oder angeboren sein. So können angeborene Missbildungen im Bereich der Harnleiter, Nieren, Blase oder Harnröhre die Ausscheidung des Urins behindern. Ursachen für eine erworbene Obstruktion sind Harnsteine, eine Vergrößerung der Prostata beim Mann, Tumore der Harn- und Geschlechtsorgane und Verengungen der Harnröhre oder der Harnleiter. Durch die Abflussbehinderung kommt es zur Harnsperre und damit zu einer Druckerhöhung oberhalb der Obstruktion. Infolge wird die Durchblutung der Niere gedrosselt und die Filterleistung nimmt drastisch ab.

Die chronische Niereninsuffizienz ist hingegen in der Regel die Folge einer Nierenerkrankung. Am häufigsten führt die diabetische Nephropathie, eine Folgeerkrankung des Diabetes mellitus, zum chronischen Nierenversagen. Weitere Ursachen sind die primäre und die sekundäre Glomerulonephritis, polyzystische Nierenerkrankungen, chronische Erkrankungen des Tubulussystems in den Nieren und Gefäßschädigungen innerhalb der Niere. Eine Sonderform ist die Analgetikanephropathie. Sie entsteht durch jahrelangen Schmerzmittelabusus. Rund ein bis drei Prozent aller terminalen Niereninsuffizienzen basieren auf Schmerzmittelmissbrauch.

Niereninsuffizienz – Symptome

Das akute Nierenversagen verläuft in drei Phasen. Die erste Phase, die sogenannte Initialphase, ist lediglich durch die Symptome der Grunderkrankung gekennzeichnet. Hier finden sich noch keinerlei Anzeichen für ein Nierenversagen, obwohl der Prozess schon begonnen hat. Die zweite Phase ist die Phase des manifesten Nierenversagens. Die glomeruläre Filtrationsrate nimmt immer mehr ab. Dadurch verbleiben zunehmend harnpflichtige Substanzen im Blut. Es bleiben vermehrt Wasser und Elektrolyte im Körper zurück, sodass die Gefahr einer Überwässerung mit Herzversagen, Hirnödem oder Lungenödem besteht. Auch Elektrolytstörungen, wie beispielsweise eine Hyperkaliämie mit Symptomen wie Muskelschwäche oder Kribbeln in den Extremitäten, können auftreten. Zu den größten Gefahren in dieser Phase gehören zudem die Urämie und die metabolische Übersäuerung des Körpers. Der Abschnitt des manifesten Nierenversagens kann mehrere Wochen andauern. Anschließend folgt eine diuretische oder polyurische Phase. Dieser Abschnitt ist ein Hinweis auf die Wiederherstellung der Nierenfunktion. Es kommt zu einer Ausscheidung von bis zu 10 Litern Harn pro Tag. Dadurch ergeben sich starke Schwankungen im Wasser- und Elektrolythaushalt. Diese polyurische Phase geht mit einer hohen Sterblichkeit einher.

Die chronische Niereninsuffizienz führt zu einem Versagen der ausscheidenden Nierenfunktion. Zu den Frühsymptomen gehört eine vermehrte Ausscheidung von wenig konzentriertem und damit sehr hellem Urin. Die Betroffenen leiden unter erhöhtem Blutdruck und Wasseransammlungen in den unteren Extremitäten und im Bereich der Augenlider. Später klagen die Patienten vermehrt über Müdigkeit und eine verminderte Leistungsfähigkeit. Erst wenn mehr als 60 Prozent des Nierengewebes in ihrer Funktion ausfallen, kommt es zu einem Anstieg der harnpflichtigen Substanzen im Blut. Die Folge ist eine Urämie, auch Harnvergiftung genannt. Das klinische Vollbild einer Urämie kann sich bei akutem Nierenversagen innerhalb von wenigen Tagen und bei der chronischen Niereninsuffizienz über mehrere Jahre entwickeln. Leitsymptome der Urämie sind Übelkeit, Erbrechen, Blutungen der Magenschleimhaut, Darmentzündungen und ein therapieresistenter Juckreiz der Haut. Am Herzen kann die Urämie zu einer Entzündung des Herzbeutels führen. Auch ein Lungenödem mit Atemnot und einer Blaufärbung der Haut ist eine mögliche Folge der Urämie. Der Harnstoff schädigt in höheren Konzentrationen die Nerven, sodass es auch zu neurologischen Erscheinungen kommen kann. Die sogenannte urämische Enzephalopathie, eine krankhafte Veränderung des Gehirns, ist durch Persönlichkeitsveränderungen und Bewusstseinseintrübungen bis hin zum Koma gekennzeichnet. Typisch für die Urämie ist, dass die Atemluft der Betroffenen nach Urin riecht. Hier spricht man vom Foetor uraemicus. Doch nicht nur der Verbleib der harnpflichtigen Substanzen im Blut, sondern auch die Störungen im Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt haben gesundheitliche Konsequenzen. Luftnot, Erbrechen und Muskelzuckungen können Folgen dieser Entgleisungen sein.

Da die Niere nicht nur für die Regulierung des Wasserhaushaltes und für die Ausscheidung der harnpflichtigen Substanzen, sondern auch für die Produktion und Umwandlung von Hormonen zuständig ist, ergeben sich hier weitere Symptome. Bei einem Mangel an dem Hormon Renin kommt es zu einer sogenannten renalen Anämie. Die Produktion der roten Blutkörperchen ist eingeschränkt. Ferner kann sich eine renale Osteopathie entwickeln. Diese beruht auf einem Mangel an Calcitrol, der stoffwechselaktiven Form des Vitamin D. Calcitrol entsteht durch einen chemischen Vorgang in der Niere. Durch die Niereninsuffizienz ist eine Umwandlung nicht mehr möglich. Infolge des Vitamin-D-Mangels kommt es zu einer Erweichung der Knochen mit Knochenschmerzen.

Niereninsuffizienz – Therapie

Auch hier muss wieder zwischen akuter und chronischer Niereninsuffizienz unterschieden werden. Das akute Nierenversagen erfordert schnelles Handeln. Die zugrunde liegende Erkrankung muss rasch behandelt werden. So müssen verdächtige Arzneimittel abgesetzt oder eventuelle Abflusshindernisse entfernt werden. Beim Schock ist eine optimale Schocktherapie erforderlich. Neben dieser ursächlichen Behandlung erfolgt in der Regel beim renalen und prärenalen Nierenversagen auch eine symptomatische Therapie. Mittels Wiegen und Blutabnahmen wird täglich eine Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz gezogen. Die Flüssigkeitszufuhr sollte an den Flüssigkeitsverlust angepasst werden. Bei komplettem Harnverhalt erhalten die Patienten rund einen Liter Flüssigkeit pro Tag. Zusätzlich ist auf eine ausreichend hohe Kalorienzufuhr zu achten. Bei einer geringen Harnausscheidung versuchen die Ärzte die Ausscheidung durch Schleifendiuretika zu steigern oder zumindest zu erhalten. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, kann eine Nierenersatztherapie erforderlich sein. Hierbei kommen die Verfahren der Hämodialyse oder der venovenösen Hämofiltration zum Einsatz. Eine Nierenersatztherapie sollte möglichst vor einem akuten urämischen Zustand beginnen. Trotz der medizinischen Fortschritte in der Intensivmedizin liegt die Sterblichkeitsrate beim akuten Nierenversagen immer noch bei rund 60 Prozent. Diese hohe Mortalität ist dadurch zu erklären, dass die Ursachen des akuten Nierenversagens oft sehr schwerwiegend sind. Zusätzlich dazu geht das Nierenversagen selbst mit einer hohen Komplikationsrate und einer ungünstigen Prognose einher.

Auch bei der chronischen Niereninsuffizienz steht die Behandlung der zugrunde liegenden Nierenerkrankung im Vordergrund. Je früher die Therapie beginnt, desto besser ist die Prognose der Patienten. Ferner ist es wichtig, die Belastung der Nieren durch Arzneimittel zu reduzieren. Auf nephrotoxische Substanzen sollte komplett verzichtet werden. Zudem ist zu beachten, dass Medikamente die über die Nieren ausgeschieden werden, in einer geringeren Erhaltungsdosis verabreicht werden müssen. Andernfalls kann es zu einer Überdosierung kommen. Ein möglicher Bluthochdruck ist mit Antihypertonika zu behandeln, um eine weitere Schädigung der Nieren zu verhindern. Zudem müssen die Betroffenen eine eiweißarme Diät halten. Die Flüssigkeitszufuhr sollte hingegen erhöht werden. Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt müssen in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. In schweren Fällen können eine Hämodialyse oder sogar eine Nierentransplantation erforderlich sein.

Niereninsuffizienz – Vorbeugung

Grundsätzlich sollte bei Verdacht auf eine Nierenerkrankung zeitnah ein Arzt aufgesucht werden. Eine frühzeitige Behandlung reduziert das Risiko einer Insuffizienz. Zudem sollte eine langfristige Medikamenteneinnahme, insbesondere die Einnahme von nierenschädigenden Schmerzmitteln, immer mit dem Arzt abgesprochen werden.

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