Der Begriff Alkoholsucht bezeichnet die Abhängigkeit von der Substanz Ethanol, die in alkoholischen Getränken enthalten ist. Die Erkrankung ist auch unter den Begriffen Alkoholabhängigkeit oder Alkoholkrankheit bekannt.
Was ist eine Alkoholsucht?
Eine Alkoholsucht liegt dann vor, wenn eine krankhafte Abhängigkeit vom Alkohol besteht. Dabei bestimmen der Konsum und die Beschaffung des Alkohols zunehmend den Alltag der Betroffenen. Bei vermindertem Konsum kommt es zu Entzugserscheinungen. Die Alkoholsucht ist aber nicht nur durch körperliche, sondern auch durch psychische und soziale Symptome charakterisiert.
Die Alkoholikertypologie nach Elvin Morton Jellinek ist auch heute noch das gebräuchlichste Klassifikationssystem der Alkoholsucht. Der Physiologe und Forscher Jellinek unterscheidet fünf Typen von Alkoholikern:
- Der Alphatrinker, ein Problemtrinker, trinkt Alkohol, um seelische Belastungen besser ertragen zu können. Hier besteht zwar keine körperliche Sucht, aber eine seelische Abhängigkeit.
- Hingegen trinkt der Betatrinker vorwiegend auf Feiern und zu anderen gesellschaftlichen Anlässen Alkohol. Der Betatrinker ist weder psychisch noch physisch abhängig, er weist jedoch ein hohes Suchtpotenzial auf und wird vom Gelegenheitstrinker nicht selten zum sogenannten Delta-Alkoholiker.
- Der Gamma-Trinker ist ein Suchttrinker. Er ist durch eine ausgeprägte psychische und eine leichte körperliche Sucht charakterisiert.
- Der Delta-Trinker ist hingegen körperlich stärker abhängig als psychisch. Er benötigt täglich eine bestimmte Menge Alkohol, um seinen Alltag bewältigen zu können. Andernfalls kommt es zu den typischen Entzugserscheinungen.
- Epsilon-Trinker, auch als Quartalssäufer bezeichnet, sind psychisch abhängig. Sie können zwar über mehrere Monate abstinent sein, neigen dann aber wieder zu exzessivem Alkoholkonsum mit Kontrollverlust.
Die Übergänge zwischen den einzelnen Alkoholismustypen sind oft fließend. Zudem sind Mischformen bekannt. In Deutschland leiden rund zwei Millionen Menschen unter einer Alkoholsucht. Fast zehn Millionen Deutsche weisen ein Trinkverhalten auf, das über das normale Maß deutlich hinausgeht. Die Alkoholsucht betrifft überwiegend Männer. Sie sind fast doppelt so häufig alkoholabhängig wie Frauen.
Alkoholsucht – Ursachen
Bei der Entstehung der Alkoholkrankheit scheinen sowohl genetische als auch soziale Faktoren eine Rolle zu spielen. So deuten verschiedene Zwillings- und Adoptionsstudien auf einen Zusammenhang zwischen der genetischen Veranlagung und dem Risiko für die Alkoholabhängigkeit hin.
Forscher vermuten, dass die Alkoholsucht zu rund 50 Prozent genetisch beeinflusst wird. Ein genetisch bedingter Mangel an dem Neurotransmitter Dopamin kann das Risiko für eine Alkoholsucht beispielsweise erhöhen. Beim Alkoholkonsum wird vermehrt Dopamin ausgeschüttet. Der Neurotransmitter hebt über das Belohnungssystem die Stimmung. Eventuell versuchen die Alkoholkranken also ihren Mangel an Dopamin über den Alkoholkonsum auszugleichen. Auch die Alkoholverträglichkeit und die Abbaukapazitäten der Leber sind angeboren. Menschen mit einer verminderten Abbauaktivität neigen zu schwereren Vergiftungserscheinungen bei hohem Alkoholkonsum. Eine Alkoholabhängigkeit ist hier eher unwahrscheinlich. Hingegen sind Menschen, die relativ Alkohol vertragen, auf lange Sicht besonders suchtgefährdet.
Eine ebenso entscheidende Rolle spielen aber auch verschiedene soziale Faktoren. So ist in vielen Kulturen und Gesellschaften der Alkohol eine Droge, die nicht nur einfach, günstig und legal zu beschaffen ist, sondern deren Konsum anerkannt und in vielen Fällen auch erwünscht ist. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Droge Alkohol senkt die Hemmschwelle und ebnet so den Weg in die Sucht.
Ebenso haben familiäre Faktoren Einfluss auf die Suchtentstehung. So erkranken die Kinder suchtkranker Eltern häufiger an der Alkoholkrankheit als andere Kinder. Die Sucht in der Herkunftsfamilie ist oft mit physischer, psychischer und sexueller Gewalt verbunden. Diese Erfahrungen in der Kindheit führen später oft zu einem vermehrten Konsum von Alkohol. Aus systemischer Sicht liegen in vielen Familien mit Suchterkrankungen zudem krankhafte familiäre Muster vor.
Die Entstehung der Alkoholsucht lässt sich auch aus psychologischer Sicht betrachten. Der Lerntheorie zufolge fungiert der Alkohol als ein ständiger Verstärker für das Suchtverhalten. Durch das Trinken erleben die Betroffenen eine positive Verstärkung ihrer Situation. Sie fühlen sich nach dem Konsum gut. Unangenehme Zustände wie Angst oder Anspannung lassen sich mithilfe des Alkohols leicht beseitigen. Das Trinken bietet dem Alkoholiker also eine direkte und unmittelbare Belohnung.
Alkoholsucht – Symptome
Menschen mit einer Alkoholsucht weisen ein starkes oder sogar zwanghaftes Verlangen nach Alkohol auf. In der medizinischen Fachsprache wird dieses Substanzverlangen auch als Craving bezeichnet.
Alkoholabhängige Menschen sind nicht in der Lage, den Beginn oder das Ende ihres Alkoholkonsums zu kontrollieren. Bei Konsumstopp oder Dosisreduktion weisen sie körperliche Entzugserscheinungen auf. Dazu gehören neben Schlafstörungen, Schweißausbrüchen und morgendlichem Zittern auch Unruhe, Angst und depressive Verstimmungen. Diese Entzugserscheinungen klingen ab, sobald die Betroffenen wieder Alkohol trinken.
Im Verlauf der Sucht sind zunehmend größere Mengen an Alkohol erforderlich, um die gewünschte Wirkung hervorzurufen und Entzugserscheinungen vorzubeugen. Das Denken der Alkoholabhängigen ist stark reduziert. Die Gedanken drehen sich fast ausschließlich um den Alkohol, andere Interessen werden zugunsten des Konsums komplett vernachlässigt.
Die gesteigerte Alkoholzufuhr hat sowohl kurz- als auch langfristige Folgen. Insbesondere die Leber leidet unter der erhöhten Belastung. Um den Alkohol abbauen zu können, erhöht sie ihre Kapazitäten und vergrößert sich, bis sie sich schließlich zunächst zur Fettleber und später zur zirrhotischen Leber entwickelt. Auch die Bauchspeicheldrüse reagiert äußerst empfindlich auf Alkohol. Nicht selten leiden Alkoholiker deshalb unter einer akuten oder chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis). Während die akute Pankreatitis schnell tödlich verlaufen kann, äußert sich die chronische Pankreatitis durch ausgeprägte Verdauungsbeschwerden oder einen Diabetes mellitus.
Auch die Skelett- und die Herzmuskulatur werden durch den Alkohol geschädigt. So leiden bis zu 40 Prozent aller chronischen Alkoholiker unter einer alkoholischen Myopathie. Die Muskelfasern zerfallen und es kommt zu einer schmerzhaften Schwellung und Überwärmung der betroffenen Muskelgruppen.
Alkoholmissbrauch kann ferner zu Bluthochdruck oder Herzmuskelerkrankungen führen. Ebenso erhöht sich das Risiko für Verkalkungen der Herzkranzgefäße und damit auch für den Herzinfark.
Alkohol schädigt zudem die Schleimhäute im Magen- und Darmtrakt. Entzündungen der Magenschleimhaut und der Speiseröhre sind die Folge.
Krebserkrankungen im Nasen-Rachen-Raum sowie im Bereich des Kehlkopfes und der Speiseröhre treten bei Alkoholikern deutlich häufiger auf als in der restlichen Bevölkerung. Insbesondere hochprozentige Alkoholika begünstigen die Entstehung von Krebserkrankungen im Verdauungstrakt. Doch auch bei der Entstehung von Brustkrebs scheint Alkohol eine Rolle zu spielen. Es wird angenommen, dass rund sechs Prozent aller tödlichen Krebserkrankungen alkoholbedingt sind.
Auch das Nervensystem nimmt durch die Belastung Schaden. Nervenfasern und Nervenumhüllungen werden zunehmend zerstört. Dies ist zum einen direkt auf die Toxizität des Alkohols zurückzuführen. Zum anderen führt der vermehrte Alkoholkonsum auch zu einem Mangel an Vitaminen der B-Gruppe. Diese benötigt der Körper jedoch für den Schutz und die gesunde Funktion des Nervensystems. Schon bei einem einzelnen Alkoholrausch kann es zu Gedächtnislücken kommen. Langfristig zeigen sich schwerere neurologische Schäden. Diese machen sich durch Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, Gedächtnislücken, ein mangelndes räumliches Vorstellungsvermögen und fehlende Problemlösungsstrategien bemerkbar.
Eine drastische Folge der Alkoholsucht ist das sogenannte Wernicke-Korsakow-Syndrom. Hier kommt es zunächst aufgrund eines alkoholbedingten Vitamin-B1-Mangels zu einer Entzündung des Gehirns (Wernicke-Enzephalopathie) mit Lähmungen der Augenmuskulatur, unkoordinierten Bewegungen und Bewusstseinsstörungen. Es folgt das anamnestische Syndrom (Korsakow-Syndrom), das durch schwere Merkstörungen und Beeinträchtigungen des Langzeitgedächtnisses charakterisiert ist. Bei Männern tritt infolge der Abhängigkeit zudem häufig eine irreversible Schädigung des Kleinhirns auf. Dabei kommt es zu schweren Gang- und Nervenstörungen sowie zu Sprechschwierigkeiten.
Alkoholsucht – Therapie
Bei einer Alkoholabhängigkeit ist ein Alkoholentzug, eine sogenannte Entgiftung, notwendig. Je nach Ausprägung der Suchterkrankung kann diese stationär oder ambulant durchgeführt werden.
Zum Entzug erhalten die Patienten in der Regel ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Clomethiazol oder Medikamente vom Benzodiazepin-Typ wie Clorazepat oder Diazepam. Diese Arzneimittel lindern die körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen. Nach dem Entzug ist der Körper zwar vom Alkohol entgiftet, die Sucht ist damit allerdings noch nicht bekämpft. Deshalb ist bei den meisten Patienten eine Langzeittherapie sinnvoll. Diese psychotherapeutische Langzeitbehandlung kann ebenfalls stationär oder ambulant durchgeführt werden. Zum Einsatz kommen neben der Psychoanalyse auch tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien und die Verhaltenstherapie. Hier erlernen die Patienten Bewältigungsstrategien für den Umgang mit ihren individuellen Auslösern und eigenen Erwartungshaltungen. Sie entwickeln ein neues Freizeitverhalten mit einem Ersatz für den Alkoholrausch.
In vielen Städten gibt es zudem Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker oder das Blaue Kreuz, in denen sich trockene und nicht-trockene Alkoholiker über ihre Suchterkrankung austauschen können. Die Selbsthilfegruppen dienen als Alternative oder Ergänzung zur klassischen Therapie.
Alkoholsucht – Vorbeugung
Einer Alkoholabhängigkeit lässt sich aufgrund der vielschichtigen Einflussfaktoren nur schwer vorbeugen. Die Grenzen zwischen normalem Alkoholgenuss und der Alkoholsucht sind oft fließend. Ein risikofreier Alkoholkonsum existiert somit nicht. Zudem ist die Alkoholsucht nicht unbedingt eine Frage der konsumierten Menge, sondern auch der Gewohnheit. Wer den Verdacht hegt, unter Alkoholismus zu leiden, sollte deshalb präventiv schnellstmöglich einen Vertrauensarzt oder eine Beratungsstelle aufsuchen.
Ein verantwortungsvoller Umgang von Eltern mit Alkohol und eine ausführliche Aufklärung über die Wirkung von Alkohol können bei Kindern und Jugendlichen zudem das Risiko für eine Alkoholabhängigkeit reduzieren.
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